Sir Timothy Berners-Lee, britischer Informatiker und Begründer des World Wide Web, * 1955

SDG #9 - Industrie, Innovation und Infrastruktur

Ob Instagram, Tik Tok oder Wikipedia: Für die meisten von uns ist das World Wide Web zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Nicht ohne guten Grund, denn es erleichtert unseren Alltag in vielerlei Hinsicht. Auch in unsere Sprache hat das Internet Einzug gehalten: Wir googeln schnell etwas, streamen Filme und Serien aus einer Mediathek oder laden Daten in die Cloud. Im Internet der Dinge lassen sich mittlerweile sogar Licht und Haushaltsgeräte steuern. Kaum jemand, der nach der Jahrtausendwende geboren wurde, kann sich ein Leben ohne das globale Netzwerk vorstellen. Doch dabei ist das World Wide Web eine vergleichsweise neue Erfindung, die kein halbes Jahrhundert alt ist. Noch vor wenigen Jahren hatte nur ein Bruchteil der Menschen einen Online-Zugang. Schätzungen zufolge haben heute rund 3,5 Milliarden Menschen, also rund die Hälfte der Menschheit, Zugang zum Internet. Da ihr diesen Text gerade lesen könnt, gehört ihr auch dazu.

Aus einer Verbindung wird ein Netzwerk

Doch was macht das Internet so besonders? Wieso ist es unverzichtbar, um Innovationen zu unterstützen? Welchen Einfluss hat das Internet auf die Industrialisierung? Und woher kommt das Internet eigentlich? Wer Antworten auf diese Fragen sucht, findet einen Teil davon in der Geschichte. Doch vorweg ein Hinweis: Es hat sich eingebürgert, dass man auch vom Internet spricht, wenn man eigentlich nur das World Wide Web – welches nur ein Teil des Internets ist – meint. Das ist in Ordnung, soweit alle sich darüber einig sind und wissen, was gemeint ist. Streng genommen ist das World Wide Web also nur ein Teil des Internets. Der, den wir alle kennen – mit all seinen Webseiten und Apps, die uns Tag für Tag über den Weg laufen. Zu erkennen ist das World Wide Web unter anderem im Browser: am WWW in der Adresse. Das Internet hingegen ist vereinfacht gesagt das Netz, mit dem die Endgeräte verbunden sind und so Daten austauschen können.

Der Vorläufer dieses Netzes war das Arpanet, welches ab 1968 von einer Forschergruppe am MIT (Massachusetts Institute of Technology) im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums entwickelt wurde. Die Idee war ein dezentrales Netzwerk, das verschiedene US-amerikanische Universitäten miteinander verbinden sollte. So sollten Daten schneller von A nach B kommen und Forschungsergebnisse schneller zur Verfügung stehen. Einige Leute behaupten noch immer, dass dieses Netzwerk in erster Linie dafür gedacht war, dass Informationen einen Nuklearkrieg – der uns hoffentlich erspart bleibt – überstehen. Obwohl diese Grundidee jedoch längst als Mythos enttarnt wurde, wird er immer mal wieder erzählt. Im Februar 1990 wurde das Arpanet schließlich stillgelegt. Das Internet steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen, aber versprach bereits damals, ganz groß zu werden.

Der Mann, der das World Wide Web erfand

Ein entscheidender Kopf in der Geschichte des Internets ist Sir Tim Berners-Lee. Der britische Physiker und Informatiker wurde 2004 von Queen Elizabeth II. für seine Leistungen zum Ritter geschlagen, mit Dutzenden Preisen ausgezeichnet und hat zahlreiche Ehrendoktorwürden erhalten. Kein Wunder: Er ist der Erfinder des Internets, so wie wir es heute kennen. Milliarden von Websites, zig Millionen Apps und unzählige webbasierte Anwendungen funktionieren nur, weil er dafür die Grundlagen schuf. Er entwickelte mit HTTP (Hypertext Transfer Protokoll) eine Möglichkeit, über die ans Internet angeschlossene Geräte Daten austauschen zu können und mit HTML (Hypertext Markup Language) eine Seitenbeschreibungssprache, mit der sich Websites erstellen lassen. Auch den ersten Browser und den ersten Webserver entwickelte Berners-Lee. Die allererste Website der Welt, info.cern.ch, gibt es noch heute. Auch wenn es nicht danach aussieht, wurde sie im Laufe der Jahre überarbeitet. Vom Original gibt es unter diesem Link aber immerhin noch eine Kopie aus dem Jahr 1992.

Alles begann am CERN

Etwas so Bahnbrechendes wie das World Wide Web erfindet man natürlich nicht allein im stillen Kämmerlein. Während zum Beispiel Apple und Microsoft in einer Garage ihren Siegeszug starteten, war Tim Bernes-Lee ab 1984 am europäischen Kernforschungszentrum CERN beschäftigt. Hier kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 80 Nationen zusammen, um physikalische Grundlagenforschung zu betreiben. Besonders bekannt ist die Forschungseinrichtung für ihren unterirdischen Teilchenbeschleuniger, den Large Hadron Collider. In diesem 26,7 Kilometer langen Ringtunnel werden Atome auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und gezielt zur Kollision gebracht. Die entstehenden Teilchen geben Forscherinnen und Forschern Aufschluss über physikalische Grundsätze. Zweien von ihnen, François Englert und Peter Higgs, wurde für ihren Nachweis des so genannten Higgs-Bosons 2013 der Nobelpreis für Physik verliehen. Eine Besonderheit des CERN ist, dass es sich sowohl auf schweizerischem als auch auf französischem Gebiet befindet. Das wurde für den Austausch von Daten zum Problem, da es in beiden Ländern unterschiedliche Netzwerk-Infrastrukturen gab. Am 12. März 1989 schlug Berners-Lee seinem Arbeitgeber ein Projekt vor, mit dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit Daten austauschen konnten. Gemeinsam mit seinem belgischen Kollegen Robert Cailliau legte er bereits 1990 ein Konzept vor, aus dem sich das World Wide Web entwickelte.

Die DNA eines internationalen Netzwerks

Der Ursprung unseres WWW ist also eine internationale Kooperation, die Grenzen überwand. Und so sind die Gedanken der Freiheit, des Austauschs und der Zusammenarbeit bis heute die DNA des World Wide Web. Ein solch liberaler – also mit für jeden Einzelnen möglichst wenig Einschränkungen verbundener – Ort ist jedoch nicht unumstritten. Besonders autoritären Machthaberinnen und Machthabern ist das Internet ein Dorn im Auge. Aus diesem Grund gibt es immer wieder Versuche, die Kontrolle darüber zu gewinnen oder zumindest Inhalte nicht zugänglich zu machen und Funktionen einzuschränken. Ob Tim Berners-Lee damals ahnte, welche Möglichkeiten, aber auch welch neue Herausforderungen seine Erfindung der Menschheit würde bieten können? Ganz sicher, denn weil er der Weiterentwicklung aus falschem Stolz nicht im Weg stehen wollte, meldete er nie ein Patent darauf an. Man muss kein Mathe-Ass sein um auszurechnen, dass er ansonsten unvorstellbar reich geworden wäre. Seine Vision war und ist die einer gerechteren Welt, einer Welt, in der das Wissen der Menschheit durch Dezentralisierung und Vernetzung für jeden frei zugänglich ist. Die Bedingung dafür ist natürlich ein Anschluss an das Netzwerk. In vielen Ländern der Erde mangelt es jedoch noch an Grundvoraussetzungen, wie zum Beispiel einer Stromversorgung. Und auch in Deutschland sind wir längst noch nicht soweit, jedem Haushalt einen nutzbaren Zugang zum Internet zu bieten. Vor allem der ländliche Raum wurde lange Zeit stiefmütterlich behandelt und bildet nun weiße Flecken auf der Landkarte der Verfügbarkeit von schnellem Internet. Das wiederum schafft Ungerechtigkeiten und widerspricht damit dem eigentlichen Grundgedanken des Internets. Mit dem Ausbau von Breitbandinternet und neuer Standards wie 5G soll sich das nun ändern.

Während wir uns so auf schnellere Downloads, schärfere Bilder beim Streamen oder weniger Störungen beim Surfen freuen können, bedeutet ein besserer Zugang zum Internet für Firmen auch mehr Wettbewerbsfähigkeit, denn auch hier entstehen jede Menge Daten, die von A nach B kommen müssen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich oftmals über Ländergrenzen oder gar Kontinente hinweg austauschen können. Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wertvoll das Internet für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Informationsaustausch oder Lernen sein kann. Doch das World Wide Web hat auch Schattenseiten – wie zum Beispiel Zensur, Fake-News oder Cyber-Kriminalität.

The Internet is not a friendly place – noch nicht

Immer wieder hört man, dass sich Menschen im Internet mächtig daneben benehmen, keinen Anstand zeigen oder sogar gegen Gesetze verstoßen. Es ist kein Geheimnis, dass es Cybermobbing gibt, Trolle ihr Unwesen treiben und Hassrede keine Seltenheit ist. Gerade Hate Speech hat für Betroffene schlimme Folgen – und fast jeder fünfte junge Erwachsene (18 bis 24 Jahre) hat schon einmal Hass im Netz erlebt. Zahlreiche Initiativen, wie zum Beispiel NO HATE SPEECH, die Amadeu Antonio Stiftung oder der Verein Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen e.V., setzen sich dafür ein, dass der Hass keine Chance hat – weder virtuell im Netz, noch real in unserem Alltag. Auch der Freistaat Sachsen hat eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, in der Antworten auf Fragen wie „Wie kann man auf Hate Speech reagieren?“ oder „Welches Verhalten ist für welche Situation angemessen?“ gefunden werden sollen. Weil es ein wichtiges Thema ist, an dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: Wenn ihr selbst betroffen seid, sucht euch bitte Hilfe. Informiert zum Beispiel eure Eltern, eure beste Freundin oder euren besten Freund, sprecht mit einer Lehrerin oder einem Lehrer eures Vertrauens oder jemandem, dem ihr vertraut. Hass und Hetze sind kein Kavaliersdelikt: weder im Netz, noch auf der Straße.

Dass es beides gibt, ist schlimm genug. Man mag sich kaum vorstellen, wie sich das für den Erfinder des WWW anfühlen mag. Doch Tim Berners-Lee wäre wohl kaum ein so angesehener Mann, wenn er deswegen den Kopf in den Sand stecken würde. Dreißig Jahre nach seiner Erfindung hat er eine weitere großartige Idee präsentiert. Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Aktivistinnen und Aktivisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Unternehmen, Regierungen sowie Bürgerinnen und Bürgern hat er eine Magna Charta des Internets entworfen. Das englische Original aus dem 13. Jahrhundert gilt als die „Mutter der Menschenrechte“, und nicht weniger soll der „Contract for the Web“ sein. Der Aktionsplan soll die Onlinewelt sicherer und für alle zugänglich machen. Insgesamt neun Grundsätze, je drei für Regierungen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger, erläutern, wie und was das Internet sein sollte.

  • Regierungen sollen
    • sicherstellen, dass jeder eine Verbindung zum Internet herstellen kann.
    • dafür sorgen, dass das gesamte Internet jederzeit verfügbar ist.
    • die grundlegenden Rechte der Menschen auf Privatsphäre und Daten im Internet respektieren und schützen.
  • Unternehmen sollen
    • das Internet für alle erschwinglich und zugänglich machen.
    • die Privatsphäre und die persönlichen Daten der Menschen respektieren und schützen, um Online-Vertrauen aufzubauen.
    • Technologien entwickeln, die das Beste im Menschen unterstützen und das Schlimmste verhindern.
  • Bürgerinnen und Bürger sollen
    • Schöpferinnen und Schöpfer und Mitwirkende im Internet sein.
    • starke Gemeinschaften, die den zivilen Diskurs und die Menschenwürde respektieren, aufbauen.
    • sich für das Netz einsetzen.

Mehr als 80 Initiativen, Unternehmen und Institutionen unterstützen das Vorhaben bereits.

Engagement ohne Grenzen

Tim Berners-Lee setzt sich besonders für Frauen- und Mädchenrechte im Internet ein, denn wie viele andere auch sieht er gerade sie als benachteiligt an. In einem [offenen Brief] (https://webfoundation.org/2020/03/web-birthday-31/) fordert er, sich mehr denn je für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen, denn nur gemeinsam kann es gelingen, „ein stärkeres, besseres Internet zu schaffen; eines, das uns befähigt, Gleichheit fördert und jedem von uns dient.“ Ideen, wie das praktisch umzusetzen ist, gibt es viele. Was früher noch Science Fiction war, ist im 21. Jahrhundert längst Realität. So wird in einigen afrikanischen Ländern zum Beispiel schon lange mit dem Handy bezahlt, was im Kampf gegen Bestechung essentiell ist. Dank des Internets können Ärztinnen und Ärzte ihren Patienten auch dann helfen, wenn sie weit von ihnen entfernt sind. Über das Internet gesteuerte Drohnen können Medikamente, Lebensmittel oder Hilfsgüter auch in schwer oder gar nicht zu erreichende Gegenden bringen. Und mit Online-Tools kann Unterricht auch dann stattfinden, wenn Schülerinnen und Schüler weit voneinander entfernt sind oder aus anderen Gründen nicht in die Schule gehen können. Unserer Kreativität sind bei der Nutzung des Internets kaum Grenzen gesetzt. Und nur, wenn unser aller Ziel ist, das weltweite Netz als ein sinnvolles Werkzeug zu begreifen und zu verwenden, macht das Surfen im Netz auch richtig Spaß, ganz gleich, ob auf Instagram, Tik Tok oder Wikipedia.

Wie ihr und eure Lehrer mit Materialien, Workshops und Exkursionen das Thema „Industrie, Innovation und Infrastruktur“ in euren Unterricht einfließen lassen könnt, erfahrt ihr hier.

 

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