Muhammad Yunus, Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesh, *1940

SDG #1 - Keine Armut

Kleine Ideen zur Lösung großer Probleme? Das klingt seltsam – erst recht, wenn es um Armut geht, eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Und doch ist es kein Widerspruch. Manche Probleme sind so groß, dass wir sie nicht im Ganzen lösen können – sondern nur mit kleinen Anstößen, aus denen die eigentliche Lösung erst erwächst. Der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus hatte eine Idee zur Bekämpfung der globalen Armut. Sie kommt mit erstaunlich wenig Geld aus. Yunus setzte die Idee selbst in die Tat um, sie funktioniert. In unserer Kampagne „Bildung für nachhaltige Entwicklung in Sachsen“ ist Muhammad Yunus der Sinnfluencer für das Sustainable Development Goal Nr. 1: keine Armut.

Das Phänomen der Armutsfalle

Muhammad Yunus stammt aus einer wohlhabenden Familie. Aber er sah die Armut seiner Heimat Bangladesh täglich vor der eigenen Tür, insbesondere das Phänomen der Armutsfalle: Viele selbstständig tätige Menschen bleiben trotz harter Arbeit ihr Leben lang arm. Nur wenige schaffen es, den zu einem besseren Leben nötigen Mindestabstand zwischen Einnahmen und Ausgaben zu erzielen. Warum ist das so? Um die für ihre Arbeit nötigen Rohstoffe und Werkzeuge zu kaufen, müssen sich Handwerker und Händler Geld leihen. Die Geldverleiher aber verlangen so hohe Zinsen, dass die Betroffenen ihre Schulden nie abbezahlen können. Die Menschen arbeiten nicht für sich, sondern für die Geldverleiher.

Alles, was fehlte, waren 27 Dollar.

Einem armen Korbflechter aus seinem Dorf schenkte der junge Yunus 856 Taka (das waren umgerechnet etwa 25 Euro.) Mit diesem Geld konnte der Handwerker zum ersten Mal, ohne neue Schulden zu machen, Material für seine Arbeit kaufen und einen Gewinn erwirtschaften. Das faszinierte Yunus.
Nachdem er in den USA Volkswirtschaftslehre studiert hatte, kam er zurück in seine Heimat. Er hatte eine Idee, wie er die Armut dort bekämpfen konnte, und zwar nachhaltig – durch Hilfe zur Selbsthilfe. Was er gelernt hatte, gab ihm Sicherheit. Er kannte das Wirtschaftssystem gut genug, um zu wissen, wie man es verbessern konnte.

Kredit ist ein Menschenrecht!

Besser als ein privater Geldverleiher, der viel zu hohe Zinsen verlangt, wäre eine seriöse Bank. Banken geben aber nur den Menschen Kredit, die materielle Sicherheiten nachweisen können. Deswegen erhalten die meisten Menschen in Bangladesh keinen Bankkredit. Irrwitzigerweise ist auch die Höhe des Kreditbetrags ein Problem: Die meisten Leute brauchen kaum mehr als 1.000 Dollar. An so kleinen Beträgen verdienen Banken aber nichts. Auch deswegen gibt es keinen Kredit.

Yunus hielt das für unethisch – und volkswirtschaftlich sogar für dumm: Ein wenig Vertrauensvorschuss, und schon verwandeln sich Arme in Angehörige der Mittelschicht, zum Nutzen der ganzen Gesellschaft. Also forderte Yunus: Kredit ist ein Menschenrecht! 1983 gründete er eine Bank, für die fehlende Sicherheiten und kleine Kreditbeträge kein Problem waren.

Mit der Dorfbank zum Nobelpreis

Die Grameen Bank (bengalisch für: Dorfbank) vergibt kleine Kredite im 1.000-Dollar-Bereich zur Existenzgründung an Handwerker, Bauern und Kleinhändler oder zur Finanzierung eines Studiums. Die Kreditnehmer sind Einzelpersonen, aber sie müssen sich zu Gruppen zusammenschließen, deren Mitglieder sich gegenseitig kontrollieren – das ersetzt die fehlende Sicherheit.
Die Praxis zeigt: Es funktioniert und viele können sich aus der Armutsfalle befreien. Auch der Bank geht es damit gut. Die Masse der kleinen Kredite bringt den Gewinn. Das Modell hat weltweit Schule gemacht. Es ist eine reale Möglichkeit, Armut mit Eigeninitiative zu bekämpfen.
Denn die Erfahrung lehrt: Geld hilft nur dann, wenn die Menschen zugleich aus der Abhängigkeit geführt werden. Yunus´ Ansatz baut auf die Würde der eigenen Arbeit. Im Jahre 2006 wurde der Banker für seine Bemühungen um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung „von unten“ mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Armut geht uns alle an.

Jetzt könntet Ihr sagen: Prima, was der Mann da am anderen Ende der Welt geleistet hat. Aber betrifft es uns?
Die Entwicklungshilfe-Dachorganisation Oxfam hat ermittelt, dass die 42 reichsten Menschen der Welt derzeit genauso viel Geld besitzen wie alle 3,7 Milliarden Menschen der armen Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Den meisten Menschen in Europa geht es gut. Die erwähnten 3,7 Milliarden leben in der Regel auf anderen Kontinenten und stehen vor Herausforderungen, die wir uns kaum vorstellen können.
Aber die Auswirkungen betreffen in einer globalisierten Welt auch uns. Davon abgesehen: Kennen wir nicht alle Menschen, denen es inmitten unserer Wohlstandsgesellschaft schlecht geht? Eine Mitschülerin, einen Mitschüler vielleicht, deren Eltern Hartz IV erhalten? Die kein Smartphone haben und nicht in den Urlaub fahren können? Ihr ahnt: Es liegt womöglich an der knappen Haushaltkasse. Auch dass sich in unserem reichen Land einige Menschen ihr Essen an sogenannten „Tafeln“ holen müssen, habt Ihr vielleicht schon gehört.

Zuerst macht Euch schlau.

Armut müsste eigentlich nicht sein – das zeigt die Statistik von Oxfam. Dass es sie trotzdem gibt, zeigt: Das Problem ist nicht einfach. Also empfehlen wir Euch zu lernen: Was verstehen wir überhaupt unter Armut? Wie entsteht sie? Welche Lösungsvorschläge gibt es?
Wenn Ihr Euch beispielsweise mit Engagement, Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe beschäftigen wollt – dafür gibt es Informationsmaterial. Vielleicht ist ja ein zweiter Muhammad Yunus unter Euch, jemand mit der nächsten genial einfachen Idee zu einer Teillösung des Armutsproblems. Hier findet Ihr und Eure Lehrer Angebote zu Lehrmaterialien, Workshops und Exkursionen.

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