Kate Raworth, britische Wirtschaftswissenschaftlerin, *1970

SDG 11 - Nachhaltige Städte und Gemeinden

Auf der Erde leben rund 7,7 Milliarden Menschen, etwa Dreiviertel von ihnen wohnen mittlerweile in Städten – und es werden jedes Jahr mehr. Dabei ist dieser globale Trend der Urbanisierung keinesfalls neu, sondern hält schon seit Jahrzehnten an. Städte sind Orte, die Wohnraum und Arbeitsplätze bieten. Hier treffen viele verschiedene Menschen aufeinander, sodass gerade Städte oft Plattformen neuer Ideen und Produkte sind. Zudem bieten sie Zugang zu Kunst und Kultur, Bildung und interkulturellem Austausch. Aber all das geht auch mit zahlreichen sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen einher: Einkommens- und Bildungsunterschiede führen zu  teilweise enormen sozialen Ungleichheiten. Der Bau von Straßen und Gebäuden, der Verkehr, die große Anzahl an Unternehmen und unser Freizeitverhalten verschlingen viel Energie und wertvolle Ressourcen. Der damit verbundene Ausstoß von Treibhausgasen führt zu einer kontinuierlichen Schädigung unserer Atmosphäre. Hinzu kommt, dass unsere Wirtschaft, unsere Finanzwelt und auch unser persönlicher Wohlstand auf permanentes Wachstum ausgerichtet sind. Dass wir diese Grundannahme dringend überdenken sollten, zeigt uns unter anderem der Earth Overshoot Day. Dieser Tag gibt an, wann wir die Ressourcen der Erde, die sie innerhalb eines Jahres erneuern kann, verbraucht haben. In den letzten Jahren erreichten wir diesen Tag bereits im Sommer. Nicht über die planetaren Grenzen hinaus zu leben ist auch der dringende Appell von Kate Raworth.

Von einer Idee zu den Nachhaltigkeitszielen

Die britische Wirtschaftswissenschaftlerin studierte in Oxford, arbeitete 20 Jahre lang für die Vereinten Nationen und Oxfam, einen internationalen Verbund von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen. Bekanntheit erlangte sie jedoch durch ihre Theorie der Donut-Ökonomie. Diese veröffentlichte sie erstmals im Februar 2012 als Diskussionspapier von Oxfam. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn vier Monate später fand die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (United Nations Conference on Sustainable Development, UNCSD) statt – die Rio+20-Konferenz in Rio de Janeiro (Brasilien). An diesem  Treffen nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus rund 190 Staaten teil. Das Donut-Konzept von Kate Raworth stieß auf der UNCSD sowohl bei Regierungen als auch in der Zivilgesellschaft auf großes Interesse. Dass sie damit einen Nerv getroffen hatte, zeigt sich unter anderem daran, dass ihr Konzept in der Folge in die Erarbeitung der Sustainable Development Goals einfloss. Doch was verbirgt sich hinter dem Konzept der Donut-Ökonomie?

Nichts wächst bis in alle Ewigkeit

Um zu verstehen, welche Gedanken hinter diesem Prinzip stehen, lohnt ein Blick auf die dominierende Denkweise moderner Gesellschaftsformen: Die Wirtschaftsleistung eines Landes wird für gewöhnlich am Bruttoinlandsprodukt (kurz: BIP) gemessen. Dabei werden alle Güter, Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes und innerhalb eines Landes als Endprodukte hergestellt werden, zusammengerechnet. Ersten Berechnungen zufolge betrug das BIP im Jahr 2020 in Deutschland etwa 3,32903 Billionen Euro – also 3.329,03 Milliarden Euro. Das klingt nicht nur viel, sondern ist es auch. Zwar ist dies ein Rückgang um 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aber bis auf das Jahr 2009, als das BIP ebenfalls sank, zeigt die Kurve seit 1991 stets nach oben. Das wird als Wirtschaftswachstum bezeichnet. Die Vorstellung, dass dieses Wachstum immer weiter gehen muss, führt sogar zu sprachlichen Stilblüten. Vielleicht habt ihr schon einmal vom „Negativwachstum“ gehört? Das bedeutet letztendlich nichts anderes, als Schrumpfung oder Rückgang – was natürlich niemand gern sagt. Kate Raworth vergleicht dieses Denken und permanente Streben nach immer mehr in einem sehr sehenswerten TED-Talk im Jahr 2018 übrigens mit einem Flugzeug, das nach dem Abheben zwar steigt und steigt, aber nie eine Landeerlaubnis erhalten wird. Obwohl jeder Mensch erkennen sollte, dass ein „Weiter so!“ nicht funktionieren kann, scheint das BIP das Maß der Dinge zu bleiben. Problematisch ist zudem, dass man an ihm allein weder den Wohlstand noch die Lebensqualität oder Gerechtigkeit eines Landes ablesen kann. Und genau hier setzt Kate Raworth mit ihrem Konzept der Donut-Ökonomie an.

Wie wir in einem Donut überleben können                     

Anstatt nach immer mehr zu streben und dabei weiter über die vorhandenen Ressourcen hinaus zu leben, sollten wir uns das Modell eines Donuts vor Augen halten.

Copyright: Kate Raworth

Dieser hat klare Grenzen nach außen und innen, innerhalb derer wir uns bewegen können. Werden die äußeren, planetaren Grenzen überschritten, hat das Folgen für die Umwelt. Werden die inneren, sozialen Grenzen unterschritten, hat das Folgen für die Gesellschaft. In vielen Ländern der Erde leben die Menschen auf der einen oder anderen Seite. Auf dem Donut und damit innerhalb der Grenzen nur die wenigsten. Doch was passiert, wenn wir uns als Gesellschaft innerhalb der von Kate Raworth definierten Grenzen bewegen? Genau das, was eigentlich längst selbstverständlich sein sollte. Dann berücksichtigt die Wirtschaft soziale und ökologische und ökonomische Belange. Dazu müssen wir aber die gesamte Wertschöpfungskette unserer Produkte betrachten – also unter welchen Arbeitsbedingungen wird z. B. ein Laptop produziert; welche Rohstoffe werden durch welche ökologische Eingriffe abgebaut? Und – am anderen Ende der Kette – mit welchen Auswirkungen für die Umwelt werden diese entsorgt? Stehen wir als Gesellschaft mit unserem „Massenkonsum“ eher für eine „Wegwerfgesellschaft“? Oder können wir unser System durch Recycling und Upcycling zukünftig stärker zu einer „Kreislaufwirtschaft“ entwickeln? Setzen wir nur auf technische Lösungen, mit denen wir unsere Ressourcen immer effizienter nutzen können oder setzen wir uns im Sinne der Suffizienz  – also dem Bemühen um einen möglichst geringen Energie- und Rohstoffverbrauch – auch damit auseinander, was und wieviel wir eigentlich wirklich brauchen?  Vor allem in Städten zeigt sich, wie wichtig das ist. Denn aufgrund des ungebrochenen Bau-Booms ist ein wichtiger Rohstoff bereits knapp geworden: Sand. Wäre die weltweite Zementindustrie ein Land, wäre es mit Blick auf den jährlichen CO2-Ausstoß mit 2,7 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent nach China (10,175 Mrd. Tonnen) und den USA (5,285 Mrd. Tonnen) der drittgrößte Emittent der Erde.

Der zweitwichtigste Rohstoff der Welt wird knapp

Dass Sand kanpp wird, wirkt auf den ersten Blick wie ein schlechter Witz, denn immerhin gibt es ja Wüsten, in denen mehr als genug Sand liegt. Doch für die Herstellung von Beton müssen die Sandkörner eine kantige Struktur haben. Wüstensand zum Beispiel ist zu feinkörnig und eignet sich daher nicht. Die scheinbar unendliche Ressource ist also doch endlich – vor allem deshalb, weil Sand an vielen Stellen zum Einsatz kommt, die auf den ersten Blick nicht zu sehen sind wie zum Beispiel in Glas, in Straßen, in Dämmen und Brücken, als Füllmaterial für Kabelschächte, in Lacken, Klebstoffen, Kosmetika sowie in Solaranlagen und Computerchips. Dass die jährlich zwischen 30 und 50 Milliarden geförderten Tonnen Sand und Kies demnach nicht ewig reichen, ist bereits heute klar. Und in der Baubranche macht sich die Rohstoffknappheit schon bemerkbar. Umso wichtiger ist es, verantwortungsvoll mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen umzugehen. Insbesondere gilt das, wenn auch in Zukunft immer mehr Menschen in Städte ziehen. Dafür sorgen, dass sie dann für alle ein Zuhause sind, in dem sie gern leben, schaffen wir nur gemeinsam. Woran wir dabei denken müssen, können wir anhand Kate Raworths Donut-Konzept schon heute ablesen.

Klimaschulen in Sachsen

Wie stellt ihr euch denn die Stadt der Zukunft vor? Gibt es darin vertikale Gärten? Oder Kilometer hohe Wolkenkratzer? Sind Autos verboten und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel Pflicht? Gibt es einen in sich geschlossenen Wasserkreislauf, darf kein Müll entstehen oder wird sie nur durch Solarstrom versorgt? Lasst eurer Phantasie freien Lauf und versucht herauszufinden, was noch Science Fiction und was bereits Realität ist.

Ihr wollt euch noch viel intensiver gemeinsam mit euren Lehrer:innen und Mitschüler:innen auseinandersetzen, wie ihr Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung in eurer Schule und in eurer Freizeit umsetzen könnt? Dann seid ihr bei der Initiative „Klimaschule“ genau richtig! Warum? Weil ihr dort ein Netzwerk an Gleichgesinnten und engagierten Schulen findet, Unterstützung für eure Ideen und Projekte und viele Möglichkeiten, euch selber einzubringen! Und so geht’s:

  1. Schwerpunkt suchen:

Sucht euch einen Schwerpunkt, mit dem euer Engagement beginnen soll. Aktiv werden könnt ihr zum Beispiel rund um die Themen globale Ursachen und regionale/lokale Auswirkungen des Klimawandels, Klimafaktor Mensch, Lebenwelt gestalten, Energiewende vor Ort oder klimabewusst handeln und konsumieren. Ihr habt eine Idee, was ihr tun könnt? Sehr gut! Nun formuliert sie so, dass sie auch andere verstehen und sucht euch dann engagierte Mitstreiter:innen.

  1. Beschluss der Schulkonferenz einholen:

Stellt eure Idee auf der nächsten Schulkonferenz vor und beschließt gemeinsam, eine Bewerbung als Klimaschule einzureichen. Das gibt euch den notwendigen Rückhalt für alle weiteren Schritte in eurem Bestreben, Klimaschule zu werden. Außerdem könnt ihr so sicher sein, dass das von euch gestartete Vorhaben auch langfristig verfolgt wird.

  1. Projektskizze erstellen:

Erstellt eine Projektskizze, aus der sich ablesen lässt, was euch motiviert, was ihr in Sachen Klimaschutz, Klimaanpassung und/oder Nachhaltigkeit bisher schon erreicht habt und mit welchen Ideen ihr eine klimafreundliche Schule werden wollt. Diese Projektskizze reicht ihr dann per E-Mail an klimaschulen.lfulg@smul.sachsen.de ein.

  1. Klimaschulteam gründen und Klimaschulplan erstellen:

Eine Jury bewertet eure Projektskizze. Wenn diese überzeugt, bekommt ihr eine positive Rückmeldung. Und 500 € Unterstützung! Jetzt wird es ernst: Gründet ein Klimaschulteam und erstellt einen konkreten Klimaschulplan. Diesen reicht ihr dann wieder per E-Mail an klimaschulen.lfulg@smul.sachsen.de ein.

  1. Alles erfolgreich? Verleihung des Titels „Klimaschule“:

Die Jury bewertet diesmal euren Klimaschulplan. Wenn auch dieser überzeugt, bekommt ihr eine positive Rückmeldung und nochmal 500 € zur Unterstützung eurer Vorhaben. Außerdem wird eurer Schule dann der Title „Klimaschule“ verliehen.

Ihr wollt mehr darüber erfahren, was Klimaschulen sind, was sie machen und warum sie für uns alle unverzichtbar sind? Dann schaut gern auf der Website des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft nach! Unter diesem Link findet ihr den richtigen Ansprechpartner für euch, Einblicke in die Projekte von ausgezeichneten Klimaschulen und viele Lehrmaterialien sowie Anregungen, wie ihr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in euren Unterricht einfließen lassen könnt.

Wie wichtig neue Denkansätze sind, zeigt uns Kate Raworth mit ihren Gedanken und dem von ihr entwickelten Donut-Modell eindringlich. Denn das Wissen um den Klimawandel, seine Folgen und wie wir dem begegnen können, ist nicht nur die Grundlage dafür, Städte ressourcenschonend zu planen, sondern unsere Zukunft an sich nachhaltig zu gestalten, um im Einklang miteinander und mit der Umwelt zu leben.

Kate Raworth ermutigt uns alle, indem sie sagt: „Sei kein Optimist, wenn es dich dazu bringt, nichts mehr weiter zu tun, sei kein Pessimist, wenn du dann aufgibst, sondern „be an activator“ – in den Bereichen, in denen Du was tun kannst.“

 

 

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