Denis Mukwege, kongolesischer Chirurg und Friedensnobelpreisträger, * 1955

SDG #3 - Gesundheit und Wohlergehen

Egal, ob Smartphones, Laptops oder Spielkonsolen – für all die elektronischen Geräte, auf die wir in unserem Alltag ungern verzichten wollen, werden besondere Rohstoffe gebraucht. Diese finden sich nicht überall auf der Welt gleich verteilt, sondern zum Beispiel besonders häufig in China, in Australien und in einigen Ländern des afrikanischen Kontinentes. In der Provinz Kivu, die im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) liegt, gibt es große Mengen von Tantal. Das Erz ist ein wichtiger Bodenschatz, das zur Herstellung nahezu jedes elektronischen Gerätes benötigt wird. Aus diesem Grund streiten rivalisierende Gruppen darum, wer es abbauen und damit eine Menge Geld verdienen kann. Mit unserem Konsumverhalten ist also auch eine Verantwortung verbunden, die nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist. Doch davon lossagen können wir uns nicht, denn mit der Förderung der Rohstoffe im Osten Kongos gehen grausame Verbrechen einher, die vor allem Frauen und Mädchen treffen.

Abscheuliche Gewalt, grausame Taten

Der kongolesische Gynäkologe, Menschenrechtsaktivist und Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege erlebt in der von ihm gegründeten Panzi-Klinik immer wieder, welche Auswirkungen sexualisierte Gewalt hat. Innerhalb von 15 Jahren (1998 bis 2013) operierten er und seine Kolleginnen und Kollegen 40.000 vergewaltigte Frauen. Dabei beobachteten sie, dass die Täter immer grausamer wurden und ihren Opfern immer schlimmere Verletzungen zufügten. Tag für Tag kommen Frauen in seine Klinik, deren Verletzungen im Genitalbereich so schwer sind, dass sie dringend behandelt werden müssen. Für ein Drittel von ihnen heißt das, dass sie eine größere medizinische Behandlung benötigen. Selbst wenn Mukwege und sein Team diese durchführen können: Mit ihrer Arbeit können sie nur etwas gegen die Folgen sexualisierter Kriegsgewalt tun, nicht gegen deren Ursachen.

Vergewaltigung als Kriegswaffe

Bereits als Kind begleitete er seinen Vater bei dessen Krankenbesuchen. Anschließend studierte er in Burundi – ein Nachbarland der DR Kongo – Medizin und arbeitete in einem kleinen Krankenhaus in der Provinz Sud-Kivu (deutsch: Südkivu). Dort starben täglich viele Frauen, unter anderem bei der Geburt ihrer Kinder. Das schockierte Mukwege so sehr, dass er beschloss, in Frankreich Gynäkologie und Geburtshilfe zu studieren. 1989 kehrte er in den Kongo zurück und eröffnete in Lemera, rund einhundert Kilometer von seinem Geburtsort Bukavu entfernt, eine gynäkologische Gesundheitsstation. Diese wurde schnell über die Landesgrenzen hinaus bekannt und lag mit Beginn des ersten Kongokrieges (Herbst 1996 bis Mai 1997) mitten im Kriegsgebiet. Es dauerte nicht lange, bis sie in den Fokus der Kriegsparteien rückte. Denn diese setzten Vergewaltigung und Genitalverstümmelung ganz gezielt als Kriegswaffe ein – obwohl dies den Genfer Konventionen und damit dem humanitären Völkerrecht widerspricht. Doch wieso hatten es die Kriegsparteien auch auf Mukwege und sein Team abgesehen? Eine Frage, die sich schwer und nur in Teilen beantworten lässt. Warum Menschen überhaupt im Stande sind, anderen Menschen derlei Gewalt anzutun, bleibt eine unbeantwortete Frage. Dass Kriege seit jeher zu Greueltaten führen, lehrt uns die Geschichte, ebenso, dass immer wieder auch Unbeteiligte zwischen die Fronten geraten. Und ein Arzt, der mit seiner Arbeit aktiv zumindest gegen die Folgen von Kriegsverbrechen einsteht, ergreift Partei: gegen den Krieg, gegen Misshandlungen, gegen menschenunwürdiges Handeln. Damit stand Mukwege zwar weder auf der einen noch auf der anderen Seite der Kriegsparteien, aber genau zwischen ihnen. Was er in dieser Zeit als Arzt, aber auch als ganz gewöhnlicher Mensch, erleben und sehen musste, ist für uns unvorstellbar. In seiner Autobiographie „Plaidoyer pour la vie“ (in der Deutschen Ausgabe: Meine Stimme für das Leben) schreibt er über eine seiner Patientinnen: »Ihr ganzes Becken war zerstört. Ich dachte, es handele sich um das Werk eines Irren, aber im selben Jahr behandelte ich noch 45 ähnliche Fälle.« Letztlich dienen Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Folter und Erniedrigungen in erster Linie dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten. Die Bevölkerung der jeweils anderen Kriegspartei soll dadurch eingeschüchtert, unterdrückt und zur Kapitulation – also zum Aufgeben – gezwungen werden. Der Konflikt im Osten Kongos wurde auch mit konventionellen Waffen ausgetragen und Lemara 1996 komplett zerstört. Zwar überlebte Mukwege und zog in die Provinzhauptstadt Bukavu um, weniger Feinde hatte er deswegen trotzdem nicht.

Die Täter sind bekannt

Sein neues Projekt war das Panzi-Krankenhaus, das er mit internationaler Hilfe aufbaute. Auch dies machte sich durch seine gynäkologische Abteilung schnell einen Namen. Die damit verbundene Aufmerksamkeit nutzte Mukwege, um auf Missstände hinzuweisen. Was er als Mediziner tagtäglich erlebte, hatte seine Ursachen auch in politischen und sozialen Entscheidungen. Er forderte 2012 in einer Rede vor den Vereinten Nationen, sexualisierte Kriegsgewalt zu verurteilen und die Vergewaltiger wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu stellen. Er selbst dokumentierte die von ihm festgestellten Grausamkeiten und benannte öffentlich die Tätergruppen. Damit brachte er sich ernsthaft in Gefahr und entging 2012 nur knapp einem Mordanschlag. Doch sein Appell richtet sich letztlich an uns alle. Auch wir, die wir weit weg vom Ort des Geschehens scheinen, können Mukweges Forderung Nachdruck verleihen.

Wir müssen uns unserer Verantwortung stellen

Wir alle tragen Verantwortung dafür, ob und um welche Bodenschätze wo auf der Welt Konflikte entstehen und mit welchen Mitteln diese ausgetragen werden. Schließlich ist es auch unser Verlangen nach immer wieder neuer Technik, das die Ausbeutung natürlicher Ressourcen vorantreibt, denn Machtkämpfe können zu politischer Instabilität führen, aus denen wiederum schnell Auseinandersetzungen entstehen, die schlimme Folgen für die Menschen vor Ort haben. Dafür, dass Denis Mukwege eben diesen Aspekt anspricht und die Menschheit darauf aufmerksam macht, erhielt er bereits zahlreiche Preise: 2008 den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen, 2013 den alternativen Nobelpreis Right Livelihood Award, 2014 den Sacharow-Preis des Europäischen Parlamentes und 2018 gemeinsam mit Nadia Murad den Friedensnobelpreis. Doch es geht Mukwege nicht darum, möglichst viele Orden und Abzeichen zu bekommen, und das sollte es auch uns nicht. Die Situation vor Ort können wir langfristig bereits mit kleinen Änderungen unseres Verhaltens ein klein wenig verbessern, wenn auch nicht komplett ändern. Was wir jedoch tun können, ist zum Beispiel, nicht bei jeder Vertragsverlängerung ein neues Smartphone zu kaufen. Ebenso leisten wir einen entscheidenden Beitrag, indem wir elektronische Geräte so lange nutzen, wie sie funktionieren und nicht, bis sie uns nicht mehr das gewünschte Ansehen bei Anderen verschaffen. Das bedeutet keineswegs, dass wir auf diese Dinge verzichten sollen oder müssen, aber wir können sie anders wertschätzen, indem wir beispielsweise mehr funktionierende Geräte dem Recyclingsystem zuführen und damit Stoffkreisläufe fördern, wodurch weniger Ressourcen abgebaut werden müssen. Denn ganz am Ende steht unser Handeln im Zusammenhang mit Konflikten um Rohstoffe und der Gesundheit der Menschen, die sie für uns abbauen oder unter den damit verbundenen bewaffneten Konflikten leiden. Dieser Verantwortung können und dürfen wir uns nicht entziehen.

Unser Handeln hat Auswirkungen auf andere Menschen

Konflikte gibt es jedoch nicht nur, wenn es um die Verteilung von Rohstoffen geht. Manchmal reichen schon Einschränkungen im bisher gewohnten Alltag, um aneinander zu geraten. Solange dabei alle den Anstand wahren, darf man auch unterschiedlicher Meinung sein. Doch dass wir Gesundheit nicht erst ernst nehmen sollten, wenn sie für uns selbst auf dem Spiel steht, haben wir in den letzten Wochen und Monaten am eigenen Leib erfahren und auch, dass Gesundheit neben der medizinischen immer auch eine soziale Dimension hat. Denn obwohl nur die wenigsten von uns Ärztinnen oder Ärzte sind, helfen wir den Menschen um uns herum: indem wir während der Corona-Pandemie Mund-Nasen-Schutz tragen, Abstand halten und unnötige soziale Kontakte vermeiden. Das alles ist nicht immer einfach, aber unsere Gesundheit und die der Menschen, die wir mögen, sollte es uns wert sein. Schließlich hat jeder Mensch das Recht, gesund sein zu dürfen, unabhängig davon, wo auf der Welt er wohnt, wie er aussieht, woran er glaubt oder welche Bodenschätze sich unter seinen Füßen befinden.

Denis Mukwege ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnt, für seine Überzeugung einzustehen und gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Dafür hat er sein Leben aufs Spiel gesetzt, die richtigen Worte gefunden und allen Widrigkeiten zum Trotz daran geglaubt, dass seine Stimme gehört wird und seine Arbeit wichtig ist. Für sein Engagement wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen – jetzt ist es an uns, ihn zu unterstützen.

Wie das geht, könnt ihr in vielen praktischen Übungen herausfinden. Alles, was ihr braucht, um das Thema „Gesundheit und Wohlergehen“ zu einem spannenden Thema im Unterricht zu machen, findet ihr hier.

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