BNE in Kommunen: Fairer Handel und Beschaffung

BNE in den Kommunen… Wir haben versprochen uns in den nächsten Beiträgen hier diesem Thema zu widmen und damit wollen wir heute auch anfangen. Zu aller erst stellt sich da allerdings die Frage: anfangen schön und gut, aber wo? Bei den Richtlinien für die Beschaffung kommunaler Institutionen? Bei den Plänen für Klima- und Umweltschutz?

Die Entscheidung fällt nicht leicht, aber in Gedanken an die unzähligen Schokoweihnachtsmänner (wäre es nicht eigentlich auch mal Zeit für Weihnachtsfrauen?), die in den nächsten Wochen unter vielen Weihnachtsbäumen landen werden, passt das Thema Fair Trade derzeit am besten. Nun – was genau ist Fair Trade eigentlich und was hat das mit Kommunen zu tun?

Fair Trade – Was ist das?

Der Verein FINE – ein Zusammenschluss der vier größten Fair-Handels-Organisationen – definiert den Fair Trade folgendermaßen: „Der faire Handel ist ein alternativer Ansatz zum konventionellen Welthandel: Eine Handelspartnerschaft für eine nachhaltige Entwicklung für ausgeschlossene und benachteiligte Produzent*innen. Mittel dazu sind bessere Handelsbedingungen, Bewusstseinsbildung und Kampagnen.“1

Diese noch recht allgemein gehaltene Definition wird durch sieben Ziele spezifiziert. Sie lauten:1

  1. Erhöhung des Auskommens und Wohlergehens der Produzent*innen durch Verbesserung des Marktzugangs, Stärkung der Produzent*innen-Organisationen, Zahlung besserer Preise und Gewährung von Kontinuität in der Handelsbeziehung.
  2. Förderung der Entwicklungschancen für benachteiligte Produzent*innen, besonders Frauen und Ureinwohner*innen sowie der Schutz von Kindern vor Ausbeutung im Produktionsprozess.
  3. Stärkung des Bewusstseins unter den Verbraucher*innen bezüglich der negativen Auswirkungen des Welthandels auf die Produzierenden, so dass sie ihre Kaufkraft positiv einsetzen können.
  4. Vorleben eines Beispiels der Partnerschaft im Handel mittels Dialog, Transparenz und Respekt.
  5. Durchführung von Kampagnen für Änderungen der Regeln und Praktiken des konventionellen Welthandels.
  6. Wahrung der Menschenrechte durch die Förderung sozialer Gerechtigkeit, umweltfreundlicher Praktiken und wirtschaftlicher Sicherheit.
  7. Da die Handelspartner*innen aus unterschiedlichem kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Umfeld kommen und auch die verschiedenartigsten Produkte herstellen, müssen die Richtlinien für den Handel flexibel sein und für die entsprechenden Handelsbeziehungen ausformuliert und präzisiert werden.

Das Konzept Fair Trade verfolgt damit eine langfristig verlässliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Produzierenden, zumeist aus dem Globalen Süden, und ein Handeln auf Augenhöhe.

Die Kampagne „Fair-Trade-Towns“

Die Kampagne „Fair-Trade-Towns“ wirbt für die Umsetzung dieser Prinzipen auf Ebene der Kommunen. Ursprünglich stammt die Idee aus dem Vereinigten Königreich: 2001 startete eine Gruppe aus engagierten Zivilpersonen und Vereinen im kleinen Städtchen Garstang, Lancashire, eine Initiative mit dem Ziel, das Bewusstsein der Einwohner*innen für die Relevanz von Fair Trade zu steigern. Das Projekt war ein großer Erfolg und fand nicht nur in Großbritannien sondern weltweit Beachtung.

Damit das Konzept auch auf andere Kommunen übertragbar wird, entwickelte „The Fairtrade Foundation“ – das britische Pendant zur deutschen Organisation „TransFair“, die auch das bekannte Fairtrade-Siegel verleiht – Kriterien für sogenannte Fair-Trade-Städte. Diese Kriterien sind mittlerweile Grundlage für die Fair-Trade-Town Kampagnen in über 30 Ländern, darunter auch Deutschland:

  1. Die Kommunalverwaltung verabschiedet einen Ratsbeschluss, nach der zum einen der Fair-Trade in der Kommune gezielt gefördert werden soll und zum anderen die kommunalen Institutionen selbst Fair-Trade-Produkte verwenden.
  2. Fair-Trade-Produkte müssen in Läden, Cafés und Restaurants in der Kommune angeboten werden. Die Anzahl der Verkaufsstätten ist abhängig von der Bevölkerungszahl der Kommune.
  3. Verschiedene öffentliche Einrichtungen, zivile Organisationen, Schulen, Gemeinden/Kirchen usw. verwenden Fair-Trade-Produkte.
  4. Die Kampagne wird durch Öffentlichkeitsarbeit bekannt gemacht.
  5. Es wird ein kommunales Koordinationskomitee gegründet, das fortlaufend das Engagement der Kommune in der Förderung des Fair-Trade sichert.

Mittlerweile gibt es mehr als 2000 Fair-Trade Towns, die sich auf dem gesamten Globus verteilen. Über 700 davon finden sich allein in Deutschland. Und auch in Sachsen zählt sich eine wachsende Zahl von Gemeinden dazu. Das sind beispielsweise die drei Großstädte Dresden, Chemnitz und Leipzig, genauso wie auch Freiberg und Markkleeberg. Dort werden Projekte wie faires Volleyball – ausgestattet mit fair produzierten Bällen und unter gerechten Arbeitsbedingungen gefertigten Sportsachen –, Stadtpläne des Fairen Handels, Eine-Welt-Bibliotheken, Stadtrundgänge mit Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen und viele andere mehr umgesetzt.

Neben diesen bereits etablierten Fair-Trade-Städten stehen andere noch mitten im Prozess der Bemühungen um eine Auszeichnung. So wie die Kleinstadt Eibenstock, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die erste Fair-Trade-Town im Erzgebirge zu werden: „Wir möchten mit unserer Bewerbung Vorbild sein und Menschen, die für uns produzieren, gerecht entlohnen“, erklärt Birgit Mädler, Mitglied des Eibenstocker Weltladens und Eine Welt-Promotorin. Die Eibenstockerin sieht die Chancen der Bergstadt sich bald auch Fair-Trade-Town nennen zu dürfen positiv: „Sowohl das Rathaus, als auch die Kirche beziehen bereits faire Produkte. Wir hoffen, dass sich nun auch noch weitere Akteure beteiligen werden, denn nur gemeinsam können wir dieses ehrgeizige Ziel erreichen.“

Sich auf den Weg zur Fair Trade Kommune zu machen, ist also nicht nur etwas für Großstädte. Gemeinden und Kommunen sind entscheidende Akteurinnen, die sich zwar manchmal nur sehr schwerfällig bewegen lassen, aber eine große Wirkung erzielen können, wenn sie sich einmal auf den Weg gemacht haben.

Die Fair-Trade-Auszeichnung beruht übrgens nicht nur auf Entscheidungen der Kommunalverwaltung, sondern sollte auch von Akteuren des Zivilgesellschaft und der Wirtschaft getragen werden. Somit wird ein Umfeld geschaffen, das den gerechten Handel gemeinschaftlich fördert und ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein und Wertschätzung für die gerechte lokale und globale Produktion von Gütern unterstützt.

Grenzen der Kampagne

Doch mit der Entscheidung und der Auszeichnung ist es nicht getan. Wissen Sie zum Beispiel, wie es um Ihre Stadt oder Ihren Ort steht? Haben Sie schon einmal von Fair-Trade-Kommunen gehört? Nein? Das zeigt: auch wenn das Kriterium zur Förderung der Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich des Engagements solcher Kommunen besteht, werden doch bei weitem nicht alle Bürger*innen erreicht – selbst wenn sie am Thema interessiert sind.

Zudem sind die Möglichkeiten der fairen Beschaffung in vielen Bereichen leider noch begrenzt. Während Tee, Kaffee, Schokolade, Kunsthandwerk und ähnliches vielerorts fair-trade-zertifiziert erhältlich sind, wird das bei den meisten technischen Produkten, bei Baustoffen und Berufsbekleidung schon viel schwieriger. Auf dem Markt sind bisher nur wenige Alternativen verfügbar, die den Kriterien genügen. Doch es gibt sie, die Beispiele, die zeigen, dass ein Wille Wege eröffnet. So existieren beispielsweise Unternehmen, die bei der Produktion von Smartphones oder Computermäusen besonders in Bezug auf die verwendeten Edelmetalle für gerechten Handel und Transparenz einstehen. Aber auch sie stoßen an Grenzen, wenn Rohstoffe gar nicht erst fair produziert werden.

Auch das Fairtrade-Siegel – die wahrscheinlich bekannteste Zertifizierung für fair gehandelte Produkte – steht immer wieder in der Kritik, beispielsweise weil der „Faire“ – Aufpreis, nur zu einem Teil bei den Produzenten des Kakaos, Zuckers usw. ankommt – also bei denen, für deren Unterstützung das Siegel eigentlich bürgen soll.

Das sollte uns anspornen, nicht nur Siegel und Auszeichnungen einzuheimsen, sondern mit Wissen und Willen in die Umsetzung zu gehen. Für eine wirkliche, umfassende Umsetzung von einem weltweit gerechten Handel wird das Engagement von Einzelpersonen allein nicht ausreichen. Es braucht die Unterstützung von großen Gemeinschaften, es braucht eine Verstetigung des Engagements, es braucht die Kommunen.

Unterstützung für Kommunen

Da das Engagement für den fairen Handel nicht immer leicht ist, gibt es auch vielfältige Unterstützungsangebote: in Sachsen unterstützt das Projekt „Fairer Handel und faire Beschaffung in sächsischen Kommunen“ sächsische Gemeinden dabei ihre Vergabeverfahren schrittweise umzustellen. Neben kostenlosen Schulungen von Entscheidungsträger*innen und Verwaltungsmitarbeitenden ist die Begleitung von Vergabeverfahren, die Unterstützung bei Marktrecherchen oder Bieterdialogen und kostenfreier Rechtsberatung durch Vergabejuristen möglich. Bei Interesse an den Angeboten kontaktieren Sie die Ansprechpartner*innen:

Stefanie Licht (stefanie.licht[at]einewelt-sachsen.de)
Martin Finke (info[at]einewelt-leipzig.de)

Die Allianz „SACHSEN KAUFT FAIR“ setzt sich seit vielen Jahren ebenfalls für die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien bei der Beschaffung von Verwaltungen, von Kirchgemeinden und kirchlichen Einrichtungen ebenso wie öffentlichen Institutionen und staatlichen Unternehmen in Sachsen ein. Auf der Website gibt es viel Hintergrundwissen zu Produkten und Unterstützungswerkzeuge, zum Beispiel zur Frage, wie Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibungen eingebaut werden können.

Zudem unterstützt die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt bei Engagement Global, die auch das sächsische Projekt „Fairer Handel und faire Beschaffung in sächsischen Kommunen“ fördert, Kommunen, die sich intensiver mit dem Thema der gerechten Beschaffung auseinandersetzen wollen, auf vielfältige Weise. Zum Angebot gehören nicht nur kostenlose Beratungen und Schulungen zu nachhaltiger Beschaffung im Allgemeinen und zur Ausgestaltung von Vergabeverfahren im Speziellen, sondern auch das „Netzwerk Faire Beschaffung“, in dem Kommunen untereinander Expertise und Erfahrungen austauschen und so vom Wissen anderer Engagierter profitieren können. Zudem ist die Servicestelle beteiligt am Internetportal Kompass Nachhaltigkeit, das alle relevanten Informationen zum Thema faire und nachhaltige Beschaffung bündelt und so einen unkomplizierten Einstieg ins Thema sowie komfortable Recherche ermöglicht. Hinzu kommt eine Rubrik zu Praxisbeispielen, die zeigt, was bereits möglich gemacht wurde, sowie zwei äußerst praktische Tools zur konkreten Umsetzung nachhaltiger Beschaffung:

  • Der Gütezeichenfinder, mit dem produktgruppen- und anforderungsspezifisch Gütesiegel ermittelt werden können, die den eigenen Vorstellungen entsprechen – das ist sicherlich auch nicht nur für Kommunen interessant, sondern genauso für Privatpersonen. Sie können ihn auch direkt ausprobieren.
  • Das Vergabetool, das ausgehend von den für die Vergabe relevanten Gegebenheiten Tipps zur Ausgestaltung möglichst nachhaltiger und zugleich umsetzbarer Regelungen gibt. Hier geht‘s zum Tool.

Machen Sie sich auf den Weg, Ihre Gemeinde oder Kommune in der Beschaffung gerecht gehandelter Produkte zu unterstützen!

Und wer weiß? Vielleicht sind es am Ende nicht mehr nur einzelne Gemeinden, die sich auf den Weg machen, vielleicht werden es auch ganze Staaten. Die erste „Fair Trade Nation“ gibt es schon: es ist Wales.

Und alle die, die weiterhin neugierig auf weitere Möglichkeiten von Kommunen sind, BNE umzusetzen und nachhaltiger zu werden, können sich schon auf den nächsten Artikel für Nachhaltigkeit in der Praxis freuen: er wird sich der Notwendigkeit und den Möglichkeiten des kommunalen Klimaschutzes widmen.

1 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/FINE [Abrufdatum: 06.12.2021]

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